Erinnerungsorte

Ursprünglich hieß unsere 1919 gegründete Gemeinde Kirchengemeinde Berlin-Heerstraße. 15 Jahre nach Ende es Zweiten Weltkriegs entschloss sich der damalige Gemeindekirchenrat, der Gemeinde einen neuen Namen zu geben. Seitdem heißt sie Friedensgemeinde. Es ist ein programmatischer Name, der uns herausfordert und verpflichtet.

Die Gemeinde liegt in einem Gebiet, in dem verschiedene Orte an Krieg und Gewalt und an Opfer des Nationalsozialismus erinnren. Einige dieser Orte stellen wir Ihnen hier vor:

Bonhoefferhaus

In der Marienburger Allee steht der ehemalige Alterssitz von Prof. Dr. med. Karl Bonhoeffer und seiner Frau Paula. Sie waren die Eltern des Berliner Pfarrers und theologischen Lehrers Dietrich Bonhoeffer, der zu den einflussreichsten deutschen Theologen des 20. Jahrhunderts gehört.

Wenn Dietrich Bonhoeffer in Berlin war, hat er im Haus seiner Eltern gelebt. In seinem Studierzimmer sind Teile der Ethik entstanden, ebenso die Widerstandsanalyse Nach zehn Jahren, deren Manuskript den Krieg im Haus versteckt überdauerte. Hier fanden konspirative Gespräche des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten unter maßgeblicher Beteiligung von Familienmitgliedern statt. Am 5. April 1943 wurde Dietrich Bonhoeffer von der Gestapo aus diesem Haus heraus verhaftet. Am 9. April 1945 wurde er in Flossenbürg hingerichtet.

Heute ist das Bonhoeffer Haus eine Erinnerungs- und Begegnungsstätte, die einzelnen Besuchern ebenso offen steht wie Gruppen. Es öffnet seine Pforten auch für Klausurtagungen von Gemeindegruppen, Gemeindekirchenräten, christlichen und anderen gesellschaftlichen Initiativen, die in der Stadt außerhalb des hektischen Alltags nachdenken und dabei nach der Gegenwartsbedeutung Bonhoeffers fragen wollen. Das Haus verfügt über eine Präsenzbibliothek mit Literatur von und über Dietrich Bonhoeffer sowie zur Bekennenden Kirche und zum kirchlichen Widerstand. 

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Bonhoeffer-Hauses: www.bonhoeffer-haus-berlin.de

Hermann-Stöhr-Haus

Unser Gemeindezentrum ist benannt nach dem evangelischen Christen und Märtyrer Dr. Hermann Stöhr. Hermann Stöhr haben Friedensfragen seiner Zeit leidenschaftlich umgetrieben. Am 4. Januar 1898 in Stettin geboren, studierte er Volkswirtschaft, öffentliches Recht und Sozialpolitik, später auch noch Theologie und promovierte zum Dr. der Staatswissenschaften.

Nach einem Amerikaaufenthalt zu Forschungszwecken zurückgekehrt nach Deutschland, erhob er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Stimme gegen antifranzösische Propaganda und Kriegsvorbereitung, gegen das Schweigen der evangelischen Kirchen zu Gewaltakten und Menschenrechtsverletzungen an politischen Gegnern und jüdischen Deutschen und gegen Deutschlands Austritt aus dem Völkerbund. Er forderte bereits 1933 in einer außergewöhnlichen Eingabe an die Evangelische Kirche Seelsorger für die damals etwa 25.000 Menschen in den Konzentrationslagern und Fürbitten für die Verfolgten. Bereits am 1. Mai 1933 schrieb er an den Rabbiner seiner Heimatsstadt Stettin: „Als evangelische Christen bringen wir unser Bedauern darüber zum Ausdruck, dass Juden einer feindseligen Haltung weiter Bevölkerungsteile ausgesetzt sind.“

Aufgrund seiner christlichen, auf biblischen Werten fußenden Überzeugung wandte er sich in vielen Eingaben immer wieder an seine Kirche. Aber er blieb mit seiner pazifistischen und völkerversöhnenden Haltung ein Einzelkämpfer, er erfuhr viel Widerstand und wurde als störender Querkopf abgeurteilt und von seiner Kirche im Stich gelassen. Als er im Frühjahr 1939 zur Kriegsmarine nach Kiel einberufen wurde, verweigerte er aus Gewissensgründen den Kriegsdienst und den damit zusammenhängenden Eid auf den Führer. Am 16. März 1940 verurteilte ihn das Reichskriegsgericht wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode. Das Urteil wurde am 21. Juni 1940 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee durch Enthauptung vollstreckt. Beerdigt wurde er stillschweigend auf dem Friedhof der Johannis-Gemeinde in Moabit. Der Friedhofsteil, auf dem sich sein Grab befand, wurde beim Bau der Stadtautobahn in den achtziger Jahren eingeebnet, seine Haltung geriet in Vergessenheit und fand wenig Anerkennung und Respekt.

Das Todesurteil gegen Hermann Stöhr wurde in den 1990er Jahren wieder Gegenstand der Rechtsprechung. Im Dezember 1997 wurde es durch das Landgericht Berlin als eines der ersten Einzelurteile gegen Kriegsdienstverweigerer aus der Zeit des Nationalsozialismus aufgehoben. Nur wenige Wochen später wurde 1998 anlässlich des 100. Geburtstages von Hermann Stöhr ein nördlich des Berliner Ostbahnhofs gelegener Platz, der sich unweit seiner früheren Wohnung in der Fruchtstraße befindet, nach ihm benannt. Dort erinnert auch ein großer Findling, an dem eine Gedenktafel angebracht ist, an das Schicksal Hermann Stöhrs.

1985 hat die Evangelische Kirchengemeinde Grünes Dreieck in Berlin-Charlottenburg ihrem Gemeindezentrum in der Angerburger Allee den Namen „Hermann-Stöhr-Haus“ gegeben. Seit 2000 gehören die Gemeinden Grünes Dreieck und Frieden durch Fusion unter deren Namen Friedensgemeinde Berlin-Charlottenburg zusammen. 

Das Wohnhaus der Familie Ruge

Das Pfarrhaus der Friedensgemeinde liegt neben unserer Kirche. Es wurde 1935 im Auftrag des Rechtsanwalts und Notars Dr. Ludwig Ruge als privates Wohnhaus erbaut. Dr. Ruge wohnte hier mit seiner jüdischen Ehefrau Anita. Seine Kanzlei befand sich im Zentrum von Berlin Unter den Linden.

Als Anwalt hat Dr. Ludwig Ruge 1938 gegen Gesetze protestiert, die ihm untersagten, weiterhin jüdische Mandanten rechtlich zu vertreten. Er war überzeugt davon, dass es angesichts der Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus nicht um ein Recht auf Widerstand, sondern um die Pflicht zum Widerstand ging. In den Jahren des Dritten Reiches haben Ruges immer wieder untergetauchte jüdische Menschen in ihrem Haus versteckt und ihnen weitergeholfen. Dr. Ruge wurde mehrfach von der Gestapo abgeholt, 1944 wurde ihm der Prozess gemacht. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit und seines Ansehens in der Berliner Juristenszene entging  er dem KZ. Nach der Befreiung Deutschlands war er Beobachter bei den Nürnberger Prozessen und führte die Wiedergutmachungsverhandlungen für den enteigneten Berliner Ullstein-Verlag. In seinen Lebenserinnerungen (Seinen Freunden aus dem Leben erzählt, 1959) beschreibt er, dass das Haus in den letzen Kriegstagen viele Luftangriffe überstand. Dach und Fenster waren zerstört, die Innenwände teilweise zusammengebrochen, aber man tat alles dafür, dass das Haus dennoch immer wieder abgedichtet und bewohnbar blieb. Aus diesem Grund wurde das Haus Ende April 1945 von der russischen Truppenleitung beschlagnahmt und Ruges mussten das Haus übergangsweise verlassen.

Ruges bewohnten das Haus bis zum Tod des Ehepaares 1964. Daraufhin hat die Friedensgemeinde das Haus erworben und eine Hausmeisterwohnung und eine Wohnung für die Gemeindeschwester eingerichtet. Seit 1992 ist das Haus Tannenbergallee 8 das Pfarrhaus der Friedensgemeinde.

Murellenschlucht

Der Murellenberg (62 m über NN), die Murellenschlucht (30m tiefer Talkessel) und der Murellenteich (Naturdenkmal) sind Teil der in der Eiszeit entstandenen Hügellandschaft im Spree-Havelgebiet. Sie entstanden als Stauch- und Endmoränen des Warschau-Berliner Urstromtales. 

Die ersten militärischen Anlagen am Murellenberg mit Kasernen und Schießständen datieren aus der Zeit um 1840. 1944 errichteten die Nationalsozialisten hier eine Erschießungsanlage, in der zwischen August 1944 und April 1945 mindestens 232 so genannte „Wehrkraftzersetzer“ und Deserteure unverzüglich erschossen wurden. Die Erschießungen fanden in der sogenannten „Murellenschlucht“ statt, welche einer Sandgrube ähnelt. Oft wurden Angehörige der Hitler-Jugend gezwungen, den Erschießungen beizuwohnen. Die Jugendlichen sollten dadurch abgeschreckt und in den letzten Kriegstagen trotz der bereits ausweglosen Situation Deutschlands gefügig gemacht werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gelände lange Zeit militärisches Sperrgebiet und wurde bis 1990 von den Briten genutzt, danach von der Berliner Polizei. Die Murellenschlucht ist heute größtenteils ein Naturschutzgebiet. 

Seit 2002 wird der Opfer der NS-Militärjustiz mit einer Installation von Patricia Pisani gedacht. Sie ließ 106 Verkehrsspiegel über das gesamte Gelände verteilt aufstellen. Auf 16 beschrifteten Spiegeln werden neben geschichtlichen Informationen über die Gräueltaten der NS-Militärjustiz damalige Gesetzestexte sowie Aussagen von Zeitzeugen zitiert. Die Idee der Künstlerin: Verkehrsspiegel weisen uns im Straßenverkehr auf Gefahrenstellen hin, die außerhalb unseres Sichtfeldes liegen. Hier sollen die Spiegel den Besucher auf die Verbrechen der NS-Militärjustiz hinweisen, die ansonsten kaum wahrgenommen würden, oder von interessierten Justizkreisen sogar verdrängt wurden.

Englischer Soldatenfriedhof Heerstraße

Der Britische Friedhof an der Heerstraße liegt auch im Gemeindegebiet der Friedensgemeinde an der Südseite der Heerstraße nahe dem Forst Grunewald. Hier liegen rund 3600 britische Soldaten begraben, die im Zweiten Weltkrieg in und um Berlin gefallen waren. In erster Linie handelt es sich um Besatzungsmitglieder abgeschossener Bomber der Royal Air Force.

Der britische Soldatenfriedhof an der Heerstraße entstand in den Jahren 1955 bis 1957 als Ersatz für den einige Jahre zuvor angelegten britischen Soldatenfriedhof an der Trakehner Allee, der 1959 aufgelöst werden musste. Das Gelände war für die – letztlich doch nicht erfolgte – Errichtung eines Fernsehturmes vorgesehen. Die Toten von dort wurden auf die neue Begräbnisstätte an der Heerstraße umgebettet. Der neue Soldatenfriedhof entstand nach dem Entwurf des Architekten Philip Dalton Hepworth auf einem rund 3,8 Hektar großen Gelände. Seine Gestaltung entspricht im Wesentlichen dem Muster anderer britischer Soldatenfriedhöfe, so beispielsweise des britischen Friedhofs auf dem Gelände des Südwestkirchhofs Stahnsdorf oder des Commonwealth-Ehrenfriedhofs auf dem Kölner Südfriedhof; charakteristisch sind hierbei einheitliche schlichte Grabsteine aus englischem Portlandsandstein, das Hochkreuz mit Bronzeschwert, der zentral platzierte Erinnerungsstein mit Gedenkinschrift sowie gepflegter, kurz geschnittener Rasen. Den Eingangsbereich bildet ein aus drei Arkaden gebildeter Torbau aus Muschelkalk mit schmiedeeisernen Pforten. Insgesamt beherbergt der Ehrenfriedhof 3.576 Einzelgräber. Der Soldatenfriedhof steht unter besonderem Schutz der britischen Krone.